Afrikanist*innen weisen kolonialapologetische Aussagen von Günter Nooke zurück

Presseerklärung vom Fachverband Afrikanistik e.V.

Am kommenden Mittwoch, den 13.02.2019, kommt es zum Treffen mit dem Afrikabeauftragten der Bundesregierung in Berlin 

 Die Debatten um die deutsche Vergangenheit in Afrika haben sich in letzter Zeit radikal verändert und der Druck zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes Deutschlands wächst – unter anderem durch das politische Engagement der Schwarzen/Afrikanischen Community und kritischer Wissenschaftler*innen. Im Humboldt Forum werden Forderungen laut, einen Raum der Stille zum Gedenken des kolonialen Unrechts einzurichten; die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy stößt prominent die Diskussion um Restitution kolonialer Beutekunst an; und Stimmen aus Politik und Wissenschaft stellen die Tragbarkeit des Afrikabeauftragten des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) nach dessen kolonialapologetischen Aussagen in Frage. 

Das Interview, das bundesweit für Empörung und Rücktrittsforderungen gesorgt hat, gab der BMZ-Mitarbeiter und persönliche Afrikabeauftragte der Bundeskanzlerin Günter Nooke (CDU) der Berliner Boulevardzeitung B.Z. im Oktober 2018. Am kommenden Mittwoch, den 13.02.2019, trifft sich Nooke im Berliner BMZ mit Afrika-Wissenschaftler*innen sowie einem Vertreter der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD-Bund e.V.). Im Mittelpunkt des Treffens stehen Nachfragen zu den im B.Z.-Interview getätigten Äußerungen sowie der Dialog über afrikapolitische Regierungsziele, für die ein stärkeres Einbeziehen von Wissenschaftler*innen und Menschen afrikanischer Herkunft in Deutschland gefordert wird.

Insbesondere seine geschichtsrevisionistische Aussage, die Kolonialzeit habe dazu beigetragen, Afrika „aus archaischen Strukturen zu lösen“, hat Kritik ausgelöst. Im Gespräch mit der B.Z. zeichnet Nooke ein Bild afrikanischer Gesellschaften, die in „Clan-Strukturen“ mit „Stammesführern“ verhaftet seien, und in denen „tradierte Verhaltensweisen“, Gebärfreudigkeit und klimatisch bedingte Arbeitsineffizienz wirtschaftliche Entwicklung lähmten. Die anschließende Rechtfertigung der Kolonialzeit, die Afrika nicht so sehr geschadet habe wie der Kalte Krieg, lassen den Kolonialismus als eine positive Entwicklung für den Kontinent erscheinen. Und auch in Zukunft sollen die ehemaligen Kolonialmächte für „Wachstum und Wohlstand“ sorgen. So schlägt Nooke vor, „unterstützt von der Weltbank oder der EU“, exterritoriale Pachtzonen in Afrika zu errichten, in die Geflüchtete rückgeführt werden könnten, um dort zu arbeiten.

Auf Initiative des Kölner Instituts für Afrikanistik und Ägyptologie hat der Fachverband Afrikanistik e.V. (FVA) auf diese Äußerungen mit einem Brief an das BMZ und das Bundeskanzleramt reagiert. Die im Fachverband organisierten Akademiker*innen, die sich sprach- und kulturwissenschaftlich mit Afrika beschäftigen, kritisieren in diesem Schreiben insbesondere die „kolonialen Stereotypen und rassistischen Untertöne“ des Interviews, die „rechts-populistischen und rassistischen Positionen“ entgegenkommen. Nooke hat angesichts dieser Kritik Gesprächsbereitschaft signalisiert und zu einem einstündigen Treffen am 13.02.2019 um 11 Uhr in das BMZ eingeladen. Gerade in Hinblick auf die im Koalitionsvertrag festgelegten Regierungsziele, die den Ausbau internationaler Forschungs- und Innovationspartnerschaften, Verstärkung kultureller Zusammenarbeit und Kulturaustausch sowie die Aufarbeitung des Kolonialismus umfassen, sucht der FVA den Dialog mit Nooke. Der FVA drängt auf die Korrektur der pauschalisierenden Aussagen des B.Z.-Interviews und schlägt vor, verstärkt Menschen afrikanischer Herkunft in Deutschland und Wissenschaftler*innen mit regionalen Spezialisierungen in die Umsetzung afrikapolitischer Initiativen der Bundesregierung einzubeziehen.

Der FVA wird in diesem Gespräch vertreten durch Prof. Dr. Anne Storch (Universität zu Köln), Prof. Dr. Raija Kramer (Universität Hamburg), Prof. Dr. Axel Fleisch (Goethe-Universität Frankfurt/Main), Prof. Dr. Nico Nassenstein (Johannes Gutenberg-Universität Mainz), Prof. Dr. Tom Güldemann (Humboldt-Universität zu Berlin), PD Dr. Angelika Mietzner (Universität zu Köln) und Dr. Ari Awagana (Universität Leipzig). Die FVA-Delegation wird begleitet von dem Hamburger Historiker Prof. Dr. Jürgen Zimmerer, Leiter der Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“, und Tahir Della, Sprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD-Bund) sowie der Kölner Doktorandin Sara Zavaree.

Prof. Dr. Raija Kramer, Vorsitzende des Fachverbands Afrikanistik und Juniorprofessorin für Afrikanistik an der Universität Hamburg, erklärt: „Wir gehen mit der Hoffnung in das Gespräch, dass Herr Nooke wirkliches Interesse an einem Dialog mit der Afrika-Wissenschaft in Deutschland hat. Wenn der respektvolle Austausch zwischen Deutschland und Afrika Regierungsziel ist, dürfen kolonialrevisionistische Äußerungen in diesen Beziehungen keinen Platz haben.“ 

Prof. Dr. Jürgen Zimmerer, Leiter der Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“ und Professor für die Geschichte Afrikas an der Universität Hamburg, erklärt: „Zweifellos gehört die Debatte über den Umgang mit Deutschlands kolonialem Erbe zu den zentralen kulturpolitischen Debatte dieser Legislaturperiode. Die Politik verweist Kritiker gerne auf die Absichtserklärungen des Koalitionsvertrages. Das Gespräch mit Herrn Nooke wird zeigen, was diese Erklärungen wert sind.“ 

Im Anschluss an das Treffen mit Günter Nooke im BMZ findet eine Pressekonferenz statt, um über den Verlauf und Ergebnisse des Gesprächs zu informieren. Vertreter der Presse sind herzlich willkommen, am 13.02.2019 von 13 bis 14 Uhr im Emil-Fischer-Hörsaal (Hessische Str. 2-4, 10115 Berlin, Raum 1.06) an der Pressekonferenz teilzunehmen. 

Für Rückfragen stehen wir unter 03069 81 7021 gern zur Verfügung