Nach dem BVG-Debakel zum U-Bhf. Mohrenstraße: Aufarbeitung und Solidarität statt Verdrängung und Vergessen

Die BVG sollte die kritische Aufarbeitung von Berlins Kolonialgeschichte und die Würdigung afrodeutscher Geschichte unterstützen

Aus ihrer voreiligen PR-Kampagne, die den U-Bahnhof M*straße in U-Bahnhof Glinkastraße umbenennen wollte, und damit zur einer zusätzlichen Ehrung des offenbar antisemitischen russischen Komponisten Glinka beigetragen hätte, sollte das Berliner Transportunternehmen nun seine Lehren und Konsequenzen ziehen. 

Erstens muss die BVG sich bei erinnerungskulturellen Maßnahmen dieser Art mehr Expertise heranziehen, als sie auf Wikipedia zu finden ist. 

Zweitens genügt es nicht, „kein Rassist“[1] mehr sein zu wollen und sich in diesem konkreten Fall der rassistischen Bezeichnung M*straße und damit zugleich auch seiner eigenen historischen Verantwortung im Schnellverfahren zu entledigen. 

Es ist vielmehr drittens notwendig, dezidiert antirassistisch aktiv zu werden. Für die BVG könnte das nun bedeuten, das Vorhaben im Dialog mit den afrikanischen, Schwarzen, afrodiasporischen und solidarischen Berliner Organisationen zu besprechen, denn ohne deren jahrzehntelanges Engagement würde es die aktuelle Debatte und damit auch die BVG-Kampagne zum U-Bahnhof M*straße ja überhaupt nicht geben. 

Die BVG hat nun die Chance zu zeigen, dass sie lernfähig ist. Dabei sollte sie nicht nur den gerade (endlich!) Fahrt aufnehmenden politischen Prozess zur Umbenennung der M*straße berücksichtigen. Im Sinne eines glaubwürdigen Antirassismus sollte sie sich nun mit den afrodiasporischen und Schwarzen Communities solidarisieren. Denn seit Jahren machen sich diese nicht nur gegen eine Verdrängung der Geschichte von Kolonialismus und Rassismus, sondern auch für die Ehrung von widerständigen Persönlichkeiten afrikanischer Herkunft im öffentlichen Raum stark.

Die BVG hätte dafür auch gleich die passenden Optionen im eigenen Archiv: Beispielsweise könnte sie Martin Quane a Dibobe, ihren aus Kamerun stammenden ersten Schwarzen Angestellten, auf ihrer Website und am U-Bhf. Hallesches Tor nicht nur namenlos abbilden. Angemessener wäre es, diesem bedeutenden Kämpfer gegen Kolonialrassismus und struktureller Diskriminierung eine Ausstellung und ggf. auch ein permanentes Denkmal zu widmen.

Desweiteren sollte die BVG gemeinsam mit dem Bündnis Decolonize Berlin e.V. für die U-Bahnhöfe Afrikanische Straße und M*straße erinnerungskulturelle Nutzungskonzepte erarbeiten, um die anstehenden vier Straßenumbenennungen in Berlin-Mitte (Petersallee, Nachtigalplatz, Lüderitzstraße und M*straße) angemessen zu thematisieren. In einer Arbeitsgemeinschaft ließen sich hierzu niedrigschwellige Formate entwickeln, um über den deutschen Kolonialismus bzw. über Brandenburg-Preußens Rolle im Versklavungshandel und über den Widerstand dagegen informieren. 

Mnyaka Sururu Mboro von Berlin Postkolonial, Mitglied im Gründungsvorstand von Decolonize Berlin e.V., sagt: „Die BVG hat viele Möglichkeiten, ihre Glaubwürdigkeit in Sachen Antirassismus zurückzugewinnen. Im speziellen Fall der M*straße sollte sie sich demonstrativ an die Seite unseres breiten Bündnisses stellen, für das nur eine herausragende Persönlichkeit afrikanischer Herkunft wie Anton Wilhelm Amo als neuer Namensgeber für die Straße und den U-Bahnhof in Frage kommt.“

Kontakt: vorstand(at)decolonize-berlin.de



[1] Angela Davis: “In a racist society, it is not enough to be non-racist, we must be antiracist.”. Ohne Angabe der eigentlichen Quelle zitiert von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 16.6.2020: Es reicht nicht aus, ‚kein Rassist‘ zu sein. Wir müssen Antirassisten sein“.