Stellungnahme: Forderung nach Aufklärung über Versuch der Einschüchterung von Wissenschaft-lerInnen durch den persönlichen Afrika-Beauftragten der Bundeskanzlerin, Herrn Günter Nooke

Der Vorstand und Beirat des mehr als 760 Mitglieder umfassenden Fachverbands von Eth-nologInnen in Deutschland (Deutsche Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie e.V.) üben scharfe Kritik an der Art und Weise, wie der persönliche Afrikabeauftragte der Bundeskanzlerin, Herr Günter Nooke, der Kritik des Fachverbands Afrikanistik e.V. an sei-nen Positionen mit Versuchen der Einschüchterung begegnet. Herr Nooke lud am 13.02.2019 Frau Jun.-Prof. Dr. Raija Kramer als Vorsitzende des Fachverbands Afrikanistik e.V. sowie weitere AfrikawissenschaftlerInnen und einen der Vorstände der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland zum Gespräch über einen offenen Brief ein, den der Fachverband am 15.11.2018 in Reaktion auf Herrn Nookes Äußerungen zu Afrika und zum Kolonialismus in der BZ (07.10.2018) verfasst hatte. Über den problematischen Verlauf dieses Gesprächs ist mehrfach berichtet worden1, und wir wiederholen an dieser Stelle nicht die inhaltliche Kritik an den im Fokus stehenden Positionen Herrn Nookes, obgleich wir sie in ihrer Gesamtheit ausdrücklich teilen. 

Mit Bestürzung haben wir im Nachgang zum Gespräch am 13.02. allerdings verfolgt, dass Herr Nooke der Kritik des Fachverbands mit Maßnahmen begegnete, die wir als Drohge-bärde gegenüber einzelnen WissenschaftlerInnen sowie den Afrikawissenschaften insge-samt wahrnehmen. Im Anschluss an das Gespräch überreichte Herr Nooke Jun.-Prof. Dr. Kramer einen Umschlag mit einer von Prof. Dr. Matthias Theodor Vogt – dem „Moderator“ des Gesprächs – verfassten „Einschätzung“ zur Stellungnahme des Fachverbands. Hierin unterstellt Prof. Dr. Vogt den UnterzeichnerInnen des offenen Briefs „wissenschaftliches Fehlverhalten“ im Sinne des DFG-Verfahrensleitfadens zur guten wissenschaftlichen Praxis (S. 10f.) und verweist im gleichen Atemzug darauf, dass sich Jun.-Prof. Dr. Kramer im „Bewährungsaufstieg“ befindet (S. 10). Die Einschätzung umfasst zudem die Empfehlung, den Dienstherrn von Jun.-Prof. Dr. Kramer über den Vorgang zu informieren (S. 11). Dass sich diese Drohgebärde auch auf die Afrikawissenschaften im weiteren Sinn bezieht, legt die Einschätzung von Prof. Dr. Vogt nahe, dass die Absendung des offenen Briefs bzw. diedarin geforderte „Abberufung des Angestellten eines Bundesministeriums“ „das Fach Afri-kanistik in seiner gesamten Breite einbezieht und gegebenenfalls die Ressourcen dieses ohnehin unterangemessen aufgestellten ‚Kleinen Faches‘ schädigen könnte“ (S.10).  

Der Vorstand und Beirat der Deutschen Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie solidarisieren sich ausdrücklich mit Jun.-Prof. Dr. Kramer und dem Fachverband Afrikanis-tik e.V., der in seiner Stellungnahme vom 21.02.2019 sehr treffend feststellt, dass ein offener Brief kein „wissenschaftliches Produkt“ ist. Zugleich fordern wir mit Nachdruck eine Aufklärung über den Gesprächsverlauf am 13.02.2019 sowie insbesondere bezüglich des sich hieraus ergebenden Eindrucks der Einschüchterung einer Wissenschaftlerin im Abhän-gigkeitsverhältnis durch den persönlichen Afrikabeauftragten der Bundeskanzlerin. 

Es ist von höchster Bedeutung, dass WissenschaftlerInnen – und zwar ausdrücklich auch solche „im Bewährungsaufstieg“ – öffentliche Kritik an Positionen von Regierungsvertrete-rInnen üben können, ohne dass ihnen hieraus persönliche oder berufliche Konsequenzen erwachsen. Dass den Stellungnahmen der UnterzeichnerInnen des offenen Briefs mit Droh-gebärden durch einen ranghohen Vertreter der Bundesregierung begegnet wird – wie es unseres Erachtens im Nachgang zum Gespräch am 13.02.2019 der Fall war –, ist nicht zu tolerieren. Nur in einem offenen und differenzierten Dialog zwischen VertreterInnen aus Wissenschaft und Politik können gemeinsam Antworten für fundamentale Fragen und Her-ausforderungen gefunden werden, die das historische und zukünftige Verhältnis zwischen Deutschland und Ländern bzw. Gesellschaften Afrikas – sowie anderen Teilen der Welt – betreffen. 

 

Prof. Dr. Hansjörg Dilger (Vorsitzender) 

[Unterzeichnet im Namen des Vorstands und Beirats der Deutschen Gesellschaft für So-zial- und Kulturanthropologie e.V.] 

Prof. Dr. Birgitt Röttger-Rössler (Stellvertretende Vorsitzende), Jun.-Prof. Dr. Thomas Stodulka (Schatzmeister), Dr. Anita von Poser (Schriftführerin), Dr. Dominik Mattes (Arbeits- und Regionalgruppen-Koordinator)  Kristina Mashimi, Mag. (Pressereferentin) 

 

 

 1 Vgl. die Beiträge in der taz, dem neuen deutschland, der Jungle World und bei Spiegel Online.