Wir gedenken Theodor Wonja Michael

Lieber Theo und Familie, 
liebe Schwestern* und Brüder*, politische Gefährt*innen,

Mit dem Tode eines Menschen verliert man vieles, aber niemals die mit ihm verbrachte Zeit.

Theodor Wonja Michael ist von uns gegangen. „Lebhaft für ein Leben, das wir weitertragen werden“, wie es einst May Ayim schrieb, wollen wir heute und in Zukunft immer an ihn denken. Viele von uns tragen besondere Momente mit ihm in ihrem Herzen. 
Als Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) erinnern wir uns an seinen letzten großen Auftritt als Schirmherr der ISD-30 Jahr-Feier in Frankfurt am Main. Zusammen mit Marie Nejar hielt er eine Rede über sein Leben und seine Wünsche für die Zukunft. Standing ovations. Tränen der Rührung und Dankbarkeit für ihn und Marie. 

Theo, 1925 in Deutschland geboren. Zeitzeuge und Überlebender einer Epoche, in der Schwarze Menschen nicht erwünscht waren. Viertes und jüngstes Kind von Theophilus Wonja Michael aus Kamerun und seiner deutschen Frau Martha. Als Halbwaise ohne Mutter wuchs er unter schwierigen Bedingungen auf. Als 1934 auch der Vater stirbt, werden die Geschwister getrennt. Michael darf keine weitere Ausbildung mache, schlägt sich als Page, Portier und Komparse in Kolonialfilmen und rassistischen Völkerschauen durch bis er 1943 in einem Arbeitslager interniert wird, wo er auch die Befreiung erlebt. Nach dem Krieg gründete er eine Familie und studiert auf dem zweiten Bildungsweg, entwickelte sich zu einem anerkannten Afrika-Spezialisten. Er findet seine Geschwister wieder und überwindet die Einsamkeit. Viele Jahre engagierte er sich für die Schwarze Community. 2018 wird er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Seine Geschichte hat er in seiner Autobiografie „Deutsch sein und schwarz dazu. Erinnerungen eines Afro-Deutschen“ festgehalten. Sie erschien 2013.  

„Man muss eine Zeit erst überwinden, sich mit ihr versöhnen. Ich wäre früher nicht in der Lage gewesen, es zu schreiben. Die Enkelgeneration hat gedrängt: Opa, schreib, das wollen wir wissen! Auch die junge schwarze Gemeinschaft wollte wissen, wie man in einer weißen Welt überleben kann.“ (taz 2014) 

Wir danken Theo, dass er seine Geschichte mit uns geteilt hat, für seine Kraft, seinen Mut und Liebe für die Schwarze Community. Als einer unserer Ältesten ist er viel Weg vor und für uns gegangen. Hat nicht nur die Geschichte Schwarzer Menschen sichtbar gemacht, sondern auch einen Weg für seine Nachkommen geebnet. Du warst und bist Vorbild dafür, wie Schwarze Menschen sich empowern und behaupten können. Nicht nur der Kampf für sein (Über)Leben macht ihn bedeutsam für die Community, auch in vielen Interviews in seinem späteren Leben hat er sich immer wieder gesellschaftspolitisch positioniert. Kritisierte diskriminierende Alltagspraxen wie das Blackfacing am Theater und rassistische Polizeikontrollen, zeigte Verständnis für Menschen ohne Papiere, weil er wusste, was es bedeutet staatenlos zu sein:

„Ich bin mein ganzes Leben lang gegen Steine, die mir vor die Füße geworfen wurden, angegangen. Und dann kommt dieses schwierige Mutterland auf einen zu und sagt: Wir brauchen dich! Da sagt man: Gut, ich komme! Warum? Das ist die Bundesrepublik, die ich mit aufgebaut habe. Ich tat es auch im Hinblick darauf, dass es die nächsten Generationen einmal leichter haben sollen, solche Positionen zu erreichen. Weil schon jemand vor ihnen da war, dem man es zugetraut hat.“ (taz 2014).

Wir verbeugen uns vor Dir, lieber Theo und senden viel Liebe dorthin, wo Du jetzt bist.

Mit unseren Erinnerungen an Dich, wollen wir uns verabschieden. Lasst sie uns an dieser Stelle sammeln. Theos Geschichte(n) sollten nicht vergessen werden. Sie gehen ein in unsere Geschichte(n). 

Dein Vorstand und Beirat der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD)

Information:
Die Trauerfeier findet am 28. Oktober um 13:30 Uhr in der Immanuel-Kirche in Köln-Longerich (Paul-Humburg-Str. 11, 50737 Köln) statt.  

Ein Nachruf
von Seiten der ISD auf ZEIT online: 
https://www.zeit.de/kultur/2019-10/theodor-wonja-michael-gestorben-nachruf