Offener Brief und Stellungnahme zum Entwurf “Bayerisches Integrationsgesetz”

An das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration
Herrn Dr. Markus Gruber Ministerialdirektor
referat-v4@stmas.bayern.de
München, 9. April 2016
Offener Brief und Stellungnahme zum Entwurf “Bayerisches Integrationsgesetz” 
Sehr geehrter Herr Ministerialdirektor Dr. Gruber,
Die Vereine Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, Ortsgruppe ISD München und der Arbeitskreis Panafrikanismus lehnen Ihren Entwurf für ein “Bayerisches Integrationsgesetz” ab.
Wir sind erschüttert über das Ausmaß an diskriminierenden und rassistischen Gesetzesvorschlägen und den Änderungsforderungen bereits bestehender Gesetzesvorlagen
in diesem Entwurf, die verfassungsrechtlich verankerte Menschenrechte berühren.
Wie kann es sein, dass ein solches Gesetz überhaupt formuliert werden kann, in vollem Bewusstsein, dass hier der Bayerischen Verfassung, dem deutschen Grundgesetz, sowie dem Europarecht widersprochen wird? Angesichts dieser Widersprüche sind die in der Problembeschreibung und der Präambel verwendeten Allgemeinplätze geradezu zynisch. Der gesamte Gesetzestext bedient sich einer populistischen, xenophobischen und Angst schürenden Sprache; der Begriff “Integration” wird hier synonym mit “Assimilation” verwendet.
Es ist ausschließlich die Rede von Forderungen an mit rechtspolitischer Agenda konstruierte Personengruppen (wie geflüchtete Menschen), deren unterstellte „Integrationsunwilligkeit“ mit Geldbußen bestraft werden soll. Von den Rechten, die geflüchteten Personen zustehen, wird dagegen nicht gesprochen. In keinem Fall werden Abschottungstendenzen der Mehrheitsgesellschaft und ihre tendenziell wachsenden rassistischen Ressentiments in Frage gestellt und die zunehmende Gewaltbereitschaft aus dem rechtsnationalen Spektrum z.B. gegenüber Menschen mit Fluchterfahrung problematisiert.
Stattdessen beruht der Grundtenor des Entwurfes auf der Herstellung einer Dichotomie zwischen einer angeblich homogenen Leitkultur von “uns Bayern” und der vermeintlich „anderen“ Kultur der “Anderen/Fremden/“Flüchtlinge”/MigrantInnen/AusländerInnen bzw. Deutschen mit Migrations-hintergrund”, obwohl Deutschland ein von Pluralismus gekennzeichnetes Einwanderungsland ist.
Besonders erschreckend sind für uns die geplanten Änderungen in puncto Schulpflicht – wie soll soziale Inklusion funktionieren, wenn Teilhabe verweigert/illegalisiert wird? Was im Übrigen einen klaren Verstoß gegen das Bayerische Schulgesetz bedeutet. Auch der Passus zu verschärften Personenkontrollmöglichkeiten macht uns zutiefst betroffen – hier wird ein bereits vorhandener Eingriff in das Grundrecht weiter vertieft. Polizeibeamte könnten das Gesetz dazu nutzen und werden geradezu ermutigt, Personenkontrollen auf Basis von Racial Profiling auszuführen.
Ein weiteres Beispiel für die diskriminierende Grundhaltung in diesem Gesetz ist die Einteilung von Menschen in Gruppen wie “privilegierte Ausländer und Deutsche mit Migrationshintergrund”, “Ausländer mit Aufenthaltstitel” und “Ausländer, die sich vorübergehend in Bayern aufhalten”.
Abgesehen von den inhaltlich schockierenden, anti-demokratischen, antisozialen Formulierungen, ist dieser Gesetzesentwurf auch sprachlich eindeutig diskriminierend und rassistisch.
Es bedürfte vieler weiterer Seiten, um das Ausmaß an Ungeheuerlichkeiten in diesem Entwurf detailliert zu analysieren. Wir weisen abschließend darauf hin, dass ein solches Gesetz verfassungsrechtlich fragwürdig ist und eine Schande für Bayern, für Deutschland und für ganz Europa darstellt.
Dieser Briefwechsel wird öffentlich geführt. Das Anschreiben sowie Ihre Antwort können zu Zwecken der Dokumentation und Aufklärung veröffentlicht werden.
Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e.V., ISD München isdmuenchen@isdonline.de 
Arbeitskreis Panafrikanismus e.V., München, sekretariat@panafrikanismus.net