Stellungnahme der ISD zur Räumung der Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin

Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Bund e.V. verurteilt auf das Schärfste das menschenrechtswidrige Vorgehen des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg, vertreten durch Hans Panhoff, und des Berliner Senats gegen die Geflüchtetenbewegung in der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin, Kreuzberg und fordert Aufenthaltsgewährung nach § 23 Aufenthaltsgesetz.

Berlin – Am Dienstag, den 24.06.2014 wurde die Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße unter massiven Einsatz von über 900 Polizeikräften teilweise geräumt. Rund 200 Geflüchtete haben die Schule verlassen, um in Ersatzunterkünften in Charlottenburg und Spandau untergebracht zu werden. Doch diese Unterkünfte bieten noch nicht einmal genug Platz für alle Geflüchteten, welche sich am Dienstag registrieren ließen, sodass sie nun gezwungen sind auf der Straße zu leben.

Das Bezirksamt sowie der Senat betonen weiterhin, dass es sich hierbei um ein „Angebot” und einen „freiwilligen Umzug“ gehandelt haben solle. 40 Geflüchtete ließen sich nicht auf das Angebot ein und verließen das Gebäude nicht. Maßgeblich für die Ablehnung war laut der Geflüchteten das eine ähnlich lautenden Vereinbarung mit den Protestierenden am Oranienplatz bereits nicht eingehalten wurde: Einige derjenigen, die Unterkünfte, ein sechsmonatiges Bleiberecht, Transfer ihrer Asylverfahren nach Berlin und eine Einzelfallprüfung zugesichert bekommen hatten, sind bereits vor Ablauf dieser Frist von Abschiebung bedroht. Andere haben keine Unterkunft erhalten. Neben diesen Wortbrüchen gibt es jedoch auch klare politische Gründe für das Ausharren der Geflüchteten, die damit Sichtbarkeit für ihre Forderung nach Abschaffung der Residenzpflicht, der Gewährung von Arbeitserlaubnissen und einem Ende der menschenunwürdigen Unterbringung in Asylheimen Nachdruck und Sichtbarkeit verleihen wollen.

Sie verbarrikadierten sich daraufhin auf dem Dach der Schule, wo sie nunmehr seit mehr als 72 Stunden ausharren. Sie drohen damit, sich vom Dach der Schule zu stürzen oder sich selbst zu entzünden, wenn die Polizei erneut versuchen sollte die Schule zu räumen. Des Weiteren fordern sie: Dauerhaftes Bleiberecht nach § 23 des Aufenthaltsgesetz für alle Bewohner_innen der Schule und des Oranienplatzes.

Wir werten die aktuelle Entwicklung als ein weiteres Versagen der Politik. Die Vereinbarungen monatelanger Verhandlungen am Protestcamp Oranienplatz wurden seitens des Senats und des Bezirks nicht oder nur teilweise eingehalten bzw. umgesetzt. Dementsprechend finden nun weitere Versprechen und Zusagen seitens der Behörden bei den Geflüchteten zurecht kein Gehör mehr. Die Bedürfnisse der Geflüchteten wurden und werden weiterhin ignoriert. Diese Eskalation war vorhersehbar und hätte verhindert werden können. Die Maßnahmen der Polizeikräfte sowie die Anweisungen des Bezirks tragen nicht zu einer Verbesserung der Situation bei. Erst 48 Stunden nach der gewaltsamen Räumung wurde erstmals ein Pfarrer mit Nahrungsmitteln zu den Geflüchteten in die Schule gelassen, der Presse wird der Zugang ohne Angaben von Gründen weiterhin verwehrt. Eine von den Geflüchteten anberaumte Pressekonferenz konnte nur mittels Skype und Telefon stattfinden. Diese Kommunikation ist ebenfalls nur noch eingeschränkt möglich. Diese Maßnahmen müssen als Zermürbungstaktiken angesehen werden, um bereits erschöpfte und verzweifelte Menschen zur Aufgabe zu zwingen.

Innensenator Henkel weist die Forderungen nach einem Bleiberecht für alle Geflüchteten aus der Schule und vom Oranienplatz klar zurück. Er fordert von den Geflüchteten das „Angebot“ der neuen Unterkünfte anzunehmen, wo in Einzelprüfung über ihr Bleiberecht entschieden werden soll. Weiterhin hoffe er, dass über Gespräche eine Lösung erzielt werden kann. Fraglich ist nun, wie sich dies gestalten soll, wenn der Innensenator jegliche Gespräche mit den Geflüchteten ablehnt bzw. an Bedingungen knüpft die aus Sicht der Protestierenden nicht zu erfüllen sind.

Bezirk und Senat schieben sich politische Verantwortung gegenseitig zu, alle beteiligten Politiker_innen und die Presse behaupten, die Forderungen der Geflüchteten nach einem dauerhaften Bleiberecht seien nur durch eine Änderung der Aslygesetze zu erreichen. Die Argumentation soll vortäuschen, das gegenwärtige Vorgehen sei alternativlos und die Geflüchteten würden unerfüllbare Forderungen stellen. Beides ist nicht der Fall. Wir verweisen auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages über die Möglichkeit der Erteilung eines Aufenthaltsstatusses für Geflüchtetengruppen wie den Teilnehmenden am Protestmarsch, das der Besetzung des Oranienplatzes und der Gerhart- Hauptmann-Schule vorangegangen war. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass den obersten Landesbehörden bei einer Aufenthaltsgenehmigung nach § 23 Aufenthaltsgesetz „zur Wahrung der politischen Interessen […] ein weiter politischer Beurteilungsspielraum eingeräumt“ wird. Es handele sich um eine „politische Leitentscheidung“ der obersten Landesbehörde. Der Senat kann Geflüchtetengruppen demnach einen Aufenthaltsstatus erteilten. Voraussetzung dafür ist, dass der Bundesminister dem seine Zustimmung erteilt.

Senat und Bezirksamt können sich nicht länger hinter dem Asyl- und Aufenthaltsgesetz verstecken – sie sollten stattdessen ihre politische Verantwortung wahrnehmen und auf diese im Rahmen des Gesetzes mögliche Lösung hinwirken. Eine Aufenthaltsgewährung nach § 23 Aufenthaltsgesetz ist möglich.

Weitere Forderungen, die Abschaffung der Residenzpflicht und die Arbeitserlaubnis für Geflüchtete sind durch Gesetzesänderungen sowie die Beschleunigung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Asylsuchenden umzusetzen.

Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Bund e.V. fordert den Innensenator Henkel hiermit auf, diese menschenverachtende und lebensgefährdende Situation zu beenden und den Geflüchteten ihre Forderungen zu erfüllen.

Die Stellungnahme hier als Download.