Stellungnahme zu den faschistischen Attacken in Chemnitz

Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) übt scharfe Kritik an Polizei und Justiz im Hinblick auf das Versagen bezüglich der faschistischen Attacken in Chemnitz.
Hintergrund des Ganzen war der Tod von Daniel H., der vergangenes Wochenende durch einen Messerangriff ums Leben kam. Dass dieser Fall jetzt versucht wird von den Neonazis zu vereinnahmen und sie ihn missbrauchen um mit Hitler-Gruß durch die Straßen zu marschieren, dabei rechtsradikale Parolen zu grölen, gegen unschuldige Menschen zu hetzen, sie zu verprügeln und damit ein Klima der Angst zu stiften, worunter insbesondere Schwarze Menschen, People of Color und Migrant_innen zu leiden hatten, ist eine bereits bekannte Strategie.
Die Ausschreitungen nehmen eine Dimension an, die es schon in den 90er gab und gerne vergessen/verschwiegen werden. Sie wurden erst durch einen – scheinbar – hoffnungslos überforderten und völlig desorganisieren Polizeiapparat ermöglicht.
Deutlich wird hier aber zum wiederholten Mal, dass die Polizei in Sachsen nicht in dem faschistischen Mob ihren Gegner sieht, sondern eher in dem demokratischen Widerstand gegen die zunehmende Gewalt der Faschisten.
Einmal mehr wird anhand dieses Falls deutlich, wie tief sich der Rassismus in den staatlichen Strukturen festgesetzt hat, da deutliche Warnsignale die sich bereits seit Jahren abzeichneten, offenbar geflissentlich ignoriert wurden…- mit fatalen Folgen wie sich jetzt zeigt.
Über Tage hinweg konnte eine Allianz aus rechten Hooligans, sogenannten „besorgten Bürger_innen“ und einem braunen Mob ihrem brutalen Treiben nachgehen, ohne dabei nennenswert durch die Sicherheitsbehörden belangt zu werden.
Bezeichnend ist auch der Tenor in den Medien. Anstatt das Ausmaß der rassistisch motivierten Gewaltexzesse ins Zentrum der Berichterstattung zu stellen – was unter Berücksichtigung der schwerwiegenden Dimension mehr als geboten gewesen wäre -, kaprizierten sich die Überschriften in den Tageszeitungen auf eine Stimmungsmache, die ein Bild der Ausgrenzung erzeugte, getreu der Devise: „wir Deutsche“ und „die Ausländer“.
Besonders bemerkenswert ist auch die Begründung der ARD, die es zunächst für überflüssig hielt, eine Sondersendung (‚Brennpunkt’) auszustrahlen, mit der lapidaren Begründung, dass diese „ (…) nur zum Einsatz kommt, wenn an einem aktuellen Thema ein besonders großes Informationsbedürfnis besteht, das im Rahmen der Berichterstattung in den Regelinformationssendungen nicht ausreichend erfüllt werden kann.“
Im Klartext kann das nur bedeuten, dass rechtsradikalen und rassistischen Pogromen auf der Prioritätenskala des – staatlich finanzierten! – Medienorgans nur eine nachrangige Relevanz beigemessen wird. Dass mittlerweile ein ‚Brennpunkt‘ gesendet wurde, ist wohl primär dem Protest der Fernsehpublikums geschuldet, der als Reaktion auf die Nachrichtenredaktion einprasselte.
Aber auch die Justiz macht eine schlechte Figur.
Dass ein Haftbefehl in die Öffentlichkeit gelangen konnte, ist schon für sich genommen ein Skandal, der seinesgleichen sucht.
Dass dieser jedoch weniger durch Nachlässigkeit sondern vielmehr durch aktives Zutun eines Justizbeamten im Netz lanciert wurde, ist ein weiterer Meilenstein der dem Ganzen die Krone aufsetzt und die Mitbewohner der Wohngemeinschaft in der der mutmaßliche Täter zuletzt ansässig war, in konkrete Gefahr bringt, da die Adresse jetzt überall publik ist.
Dies ist im Übrigen nicht wirklich überraschend wenn man sich die Vorgänge in Sachsen zum NSU ansieht. Spätestens hier wurde klar, dass es in Sachsen ein tiefsitzendes Problem gibt mit institutionellem Rassismus.
Die ISD fordert angesichts des Ausmaßes rigorose Konsequenzen, die vor allem die lückenlose Aufklärung des Totalversagens der sächsischen Behörden in den Fokus rückt und endlich umfangreiche Maßnahmen einleitet, um den braunen Sumpf nachhaltig trocken zu legen. Vor allem aber fordern wir eine umfassende Auseinandersetzung um die wachsenden rassistischen Verhältnisse in Deutschland und eine tiefgreifende Debatte bei der die Perspektiven der Menschen im Mittelpunkt stehen die von Rassismus betroffen sind.           Die Ereignisse in Chemnitz reihen sich in gesellschaftliche und politische Entwicklungen ein, die zwar erschreckend sind, jedoch für von Rassismus Betroffene Menschen oft nicht überraschend sind. Leider ist anzunehmen, dass solche Ereignisse bundesweit auch an anderen Orten auftreten können. Deswegen fordern wir Politiker_innen und staatliche Institutionen dazu auf, rechte und rassistische Zusammnekünfte und Gewalt als konkrete Gefahrenlagen für potentielle Opfer zu erfassen und Schutzstrategien zu entwickeln.
Denn wer Hass und Hetze ignoriert oder  gar billigend in Kauf nimmt, macht sich automatisch mitverantwortlich wenn das gesellschaftliche Klima vergiftet und Rassismus salonfähig wird, worunter letztlich unschuldige Menschen leiden müssen.
Für Rückfragen:
ISD-Bund e.V.                                                                                                                                            Lausitzerstrasse 10                                                                                                                                             10999 Berlin                                                                                                                                                            ‭+49 30 69817021                                                                                                                       ‬isdbund@isdonline.de                                                                                                                       www.isdonline.de