Tansania fordert Schädel aus der Kolonialzeit von deutschen Museen zurück

 
PRESSEMITTEILUNG 06.03.2018 von Berlin Postkolonial
Die tansanische Regierung kündigt die Rückführung des abgetrennten Hauptes von Songea Mbano, des legendären Wangoni-Führers im Maji-Maji-Krieg (1905-07) aus Deutschland an. Berlin Postkolonial fordert die rasseanthropologischen Sammlungen in Deutschland auf, Tansania über sämtliche bekannten menschlichen Gebeine aus der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ zu informieren und deren Rückgabe anzubieten.
Die tansanische Zeitung „The Citizen“ hat am 5. März 2018 unter dem Titel „Tanzania to bring back hero’s skull“ über die Ankündigung der tansanischen Regierung berichtet, den Kopf des berühmten Wangoni-Herrschers Songea Mbano von Deutschland zurückzufordern. Gemeinsam mit zahlreichen weiteren Wangoni-Chiefs war der Widerstandsführer vom deutschen Kolonialregime am 27. Februar 1906 bei Songea für seine Rolle im Maji-Maji-Krieg exekutiert und enthauptet worden. Heute befindet sich am Hinrichtungsort das Maji Maji Memorial Museum, das Teil des Nationalmuseums ist. Jährlich finden dort die Gedenkfeiern für die Opfer des größten Krieges der tansanischen und auch der deutschen Kolonialgeschichte statt, in dem sich mehr als 20 Gemeinschaften gegen die Kolonialherrschaft erhoben. Bis zu 300 000 Einheimische verloren dabei ihr Leben.
Berlin Postkolonial fordert die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte (BGAEU), die Staatlichen Ethnografischen Sammlungen Sachsen, das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und alle weiteren Sammlungen mit menschlichen Gebeinen aus der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ auf, die tansanische Botschaft unverzüglich über ihre Bestände zu informieren. Vor allem die bundeseigene Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die erst nach einem MDR-Bericht im Herbst 2016 einräumte, ebenfalls im Besitz von mindestens 60 menschlichen Gebeinen aus Tansania zu sein, muss den Nachfahren der Kolonisierten Einblick in ihre Bestände geben sowie eine Entschuldigung und Rückgaben anbieten.
Der tansanische Aktivist Mnyaka Sururu Mboro von Berlin Postkolonial sagt: „Verstehen die Deutschen nicht, was es für uns bedeutet, dass unsere Ahnen noch immer zu Hunderten in ihren Museumskellern liegen? Begreifen sie nicht, dass wir unsere ermordeten Vorfahren und Verwandten endlich wiederhaben wollen? SPK-Präsident Parzinger hält uns seit 2014 mit dem Argument aufwändiger Provenienzrecherchen zum Narren. Der Gründungsintendant des millionenschweren Humboldt Forums stellt dafür aber kein Geld zur Verfügung. Die SPK hat in all den Jahren noch nicht einen einzigen Knochen restituiert!“
Kontakt: Berlin Postkolonial, buero(at)berlin-postkolonial.de, 01799 100 976
Artikel im „The Citizen“ vom 5.3.2018: http://www.thecitizen.co.tz/News/Tanzania–to-bring-back-hero-s-skull-/1840340-4328696-9v5tj7z/index.html
Bericht zum MDR-Magazin “Fakt” vo. 12.11.2016: https://www.mdr.de/presse/mdr-im-ersten/presseinfo-fakt-ist-schaedel-100.html
Beschlüsse der transnationalen Konferenz „Prussian Colonial Heritage: Sacred Objects and Human Remains in Berlin Museums“ am 14./15.10.2017:
http://www.berlin-postkolonial.de/cms/index.php/9-news/kurzmeldungen/127-conference-prussian-colonial-heritage
Offener Brief an Angela Merkel zur Rückführung von afrikanischer Beutekunst und menschlichen Gebeinen vom 18.12.2017: http://www.berlin-postkolonial.de/cms/index.php/9-news/kurzmeldungen/128-offener-brief-an-merkel