Am 29.11.26 fand in Gießen die bundesweite „Widersetzen“ Demo gegen die Gründung der AfD Jugend statt. Als ISD sind wir Teil des Bündnisses und tragen den gemeinsamen Widerstand. Theresa ist ISD-Aktivistin aus Marburg und war vor Ort. Mit ihr sprachen wir kürzlich über ihre Erfahrungen rund um die Demo.
ISD-Team: Wie habt ihr euch auf die Demo vorbereitet?
Theresa: Wir haben uns als ISD Marburg zunächst in unseren regelmäßigen Plenen vorbereitet. Danach haben wir unsere Plenen geöffnet, also für alle migrantisierten Menschen/Bi_PoCs in Marburg. Ziel war es, zu mobilisieren, Aufmerksamkeit zu schaffen und zu zeigen: Wir sind da, du bist nicht allein, und wir gehen zusammen nach Gießen.
Vor der Demo waren wir gemeinsam in Marburg unterwegs, haben Flyer und Sticker verteilt und Menschen angesprochen. Für die Rede haben wir uns zusammen zentrale Botschaften überlegt, um unsere Perspektiven möglichst sichtbar zu machen. Außerdem haben wir an den Plenen des MigraBlocks (der Selbstorganisation innerhalb von Widersetzen) teilgenommen, zusammen mit verschiedenen Organisationen wie MigraSpace Gießen.
ISD-Team: In den Medien war viel über die brutalen Einsätze der Polizei zu vernehmen. Wie schätzt du das ein?
Theresa: Das Problematische ist, dass der Diskurs oft verschoben wird: Demonstrierende werden als gewalttätig dargestellt, obwohl alles klar friedlich ausgerichtet war. Tatsächlich kam es zu massiver Polizeigewalt, mit Schlagstöcken, Tränengas, Wasserwerfern und Einkesselungen. Viele Demonstrierende wurden verletzt.
Ein besonders deutliches Beispiel war ein junger rassifizierter Mann in Gießen. Er hatte sich bewusst entschieden, nicht an den Widersetzen-Blockaden teilzunehmen, sondern zur bürgerlichen Demo zu gehen, gerade weil er keine Gewalt erleben wollte. Für viele rassifizierte Menschen ist diese Entscheidung nachvollziehbar: Blockaden sind ein legitimes Mittel des Protests, aber sie bergen ein hohes Risiko für Menschen, die ohnehin überproportional von Polizeikontrollen, Repression und Gewalt betroffen sind. Genau aus diesem Grund haben wir als ISD den Demo-Mikroblock angeboten: als sichtbareren und etwas sichereren Raum, in dem Menschen gemeinsam demonstrieren können, ohne ihre körperliche Unversehrtheit noch stärker zu gefährden.
Dieser Mann hielt friedlich eine palästinensische Flagge. Trotzdem wurde er gezielt von der Polizei angegriffen, geschlagen, verletzt, und seine Flagge wurde weggenommen. Das zeigt, was wir seit Jahren benennen: Schwarze Menschen und Bi_PoCs sind diejenigen, die als Erste staatlicher Gewalt ausgesetzt sind und diese Gewalt ist nicht zufällig.
Demonstrierende dürfen nicht für das Verhalten der Polizei verantwortlich gemacht werden. Der Staat trägt die Verantwortung, die Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu sichern. Protest sollte kein Sicherheitsrisiko sein, sondern ist ein Grundrecht.
ISD-Team: Wie beurteilst du den politischen Erfolg der Aktion?
Theresa: Die Demo hat gezeigt, dass Schwarze Menschen sichtbar sind und für sich selbst sprechen können. Menschen aus Marburg, Leipzig, Frankfurt, Gießen und anderen Städten kamen zusammen. Allein dieses Zusammenkommen war empowernd und sichtbar, und es strahlte nach außen: Uns wurde zurückgemeldet, dass es allein schon ein gutes und empowerndes Gefühl war zu wissen, dass es die Möglichkeit gibt, sich einer Schwarzen Gruppe anzuschließen (auch wenn man jetzt in Gießen vielleicht nicht dabei sein konnte).
Besonders inspirierend war die Geschichte einer Person aus Leipzig: Ihr Solibus kam im Süden Gießens an, weshalb sie allein zwei Stunden zu Fuß nach Gießen lief, um sich uns anzuschließen. Die Person war sichtbar mit einer palästinensischen und einer panafrikanischen Flagge unterwegs, begegnete Nazis und lief weiter. Diese Geschichte zeigt für mich, dass Community keine Ergänzung zu politischem Handeln ist, sondern ihre Grundlage. Jemand entscheidet sich, zwei Stunden allein zu laufen, weil die Hoffnung auf Community und Verbundenheit größer ist als irgendwelche Sorgen. Der Erfolg liegt also nicht nur in der Außenwirkung oder in Medienberichten, sondern darin, dass Menschen spüren: Da gibt es eine Schwarze Community, der ich mich anschließen kann. Ich bin nicht allein. Und genau das wollen wir weiter stärken.
Und auch für mich selbst war es super empowernd. Als Pressesprecherin habe ich mich mega getragen gefühlt und hatte so ein starkes Gefühl von Rückhalt in meiner Community. Dafür bin ich bis jetzt richtig dankbar. Diese Demo hat auch mir gezeigt: Ich bin nicht allein. Und wir sind in unserem Protest gegen die AfD nicht allein.
Was wir mitnehmen: die Demo in Gießen zeigt, dass Solidarität und Sichtbarkeit wachsen, wenn wir uns bundesweit verbinden. Das ist ein Anfang, auf dem wir weiter aufbauen wollen. Denn wie wir deutlich gemacht haben: Widerstand ist unser Alltag. In Zeiten wie diesen ist es besonders wichtig, zusammenzurücken, Strukturen zu stärken und Räume für politischen Aktivismus zu schaffen, in denen Menschen sicher sichtbar und solidarisch sein können. Und wir machen weiter: Die nächste Widersetzen-Aktion steht bereits fest: am 4./5. Juli beim AfD-Bundesparteitag in Erfurt.
ISD online Team: Besten Dank für das Gespräch und dein Engagement vor Ort!