LESERBRIEF
Ortstermin: Negerprinzessin/Der Spiegel 51/2010
Außer Spesen nichts gewesen …
Schüler_innen, die im Unterricht nicht mitkommen und die eigene
Inkompetenz dann blasiert als Langeweile umdefinieren, mokieren sich
dann währenddessen auch gerne über die Frisur der Lehrerin oder die
Sockenfarbe des Lehrers oder sie doodeln oder schreiben SMS….
Spiegelleser_innen, die den aktuellen Spiegel-Ortstermin zu einer
Veranstaltung der Berliner Werkstatt der Kulturen zum Thema >Playing
in the Dark. Das sagt man nicht. Diskriminierende Sprach in Politik,
Medien und Alltag< gelesen haben, wissen nun also dank dem Spiegel,
was Michel "Piranha" Friedmann alles so mit einem Kugelschreiber
anstellen kann während er eine Wortveranstaltung moderiert -
inhaltlich erfahren sie nichts von Relevanz.
Bedauerlich, dass ein deutsches Leitmedium, das ja selbst im
Wortgeschäft ist, sich so gar nicht mit Sprache und seiner eigenen
Verstrickung in hegemonialen Benennungspraxen beschäftigen mag.
Der Spiegel - ein einflussreiches Magazin also, deren
Mitarbeiter_innen nicht wissen (wollen), dass Rassismus ein
jahrhundertealtes weißes europäisches Projekt ist, das
pseudowissenschaftlich untermauert wurde - und das den
Versklavungshandel, den Kolonialismus, den millionenfachen Genozid an
Nicht-Weißen in den Amerikas, Australien, Afrika und Teilen Asiens
sowie die Shoah gebar - ein Projekt somit, das sich sowohl in heutigen
politischen und ökonomischen Strukturen wie eben auch in Sprache
manifestiert.
Und dann wird noch "so richtig schön nicht-pc" mit >Negerprinzessin< getitelt, weil nicht verstanden wird, dass >Pippi im Taka-Tuka Land<
in deutschen Kinderzimmern immer wieder aufs neue eine koloniale
Unterwerfungsfantasie zelebriert. Und warum weiß das keiner beim
Spiegel - und warum schmunzeln da die Redakteure? - Weil sie nicht
realisiert haben, dass sie mehrheitlichst weiß sozialisiert sind und
eben aus dieser höchst relevanten - jedoch diskursiv unsichtbar
gemachten - Perspektive des Weißseins die Welt betrachten und
beschreiben, sich aber als vermeintlich objektive Beobachter am
Spielfeldrand der Sprachpolitik gerieren, während sie doch in
Wirklichkeit als Spieler mitten im Getümmel sind - der Beitrag von
Herrn Scheuermann demonstriert das aufs Klarste. Die Reisekosten von
Hamburg nach Berlin hätten Sie getrost einsparen können.
Bitte beachten Sie, dass dieser Briefwechsel von mir öffentlich
geführt wird, und ich dieses Anschreiben wie auch Ihre eventuelle
Antwort zu Zwecken der Dokumentation, Lehre und Aufklärung
veröffentlichen werde.
Nadja Ofuatey-Alazard