Berlinale Film “Der vermessene Mensch”: Reproduktion von Anti-Schwarzem Rassismus und eine verpasste Chance deutsche Kolonialgeschichte kritisch aufzuarbeiten

Berlin, 28.03.23. Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e. V. reagiert schockiert und mit Befremden auf den Spielfilm „Der vermessene Mensch“ von Lars Kraume, der auf der 73. Berlinale seine Premiere feierte und seit dieser Woche landesweit in den Kinos ausgestrahlt wird.

Kern der Kritik ist, dass sich die Initiative Schwarze Menschen gegen das wiederholte Präsentieren anti–Schwarzer und kolonialer (Bild-) Sprache aussprechen. Szenen, in denen Schwarze Menschen vermessen oder in Konzentrationslagern festgehalten werden, wurden bereits zu Genüge produziert und haben nicht Empathie, sondern Abstumpfung zur Folge.

 „Seine re-traumatisierende Erzählweise ist für den Schulunterricht ungeeignet. Insbesondere Schwarze Kinder und Jugendliche müssen vor rassistischer Gewalt geschützt werden„, betont Adiam Zerisenai, inhaltliche Projektleitung der ISD im KomPAD (Kompetenznetzwerk Anti-Schwarzer Rassismus).

Zusätzlich kritisieren wir die Fokussierung auf eine weiß-deutsche Perspektive, die sich durch die Erzählung von „Der vermessene Mensch“ zieht. Die ISD ist verwundert über eine Darstellung des Genozids an den OvaHerero und Nama, die sich vor allem auf das Erleben des weißen Protagonisten stützt.

Die Kritik richtet sich auch an die Entscheidung des Filmemachers, jegliche Formen des Widerstands nicht in „Der vermessene Mensch“ einfließen zu lassen. Der historische Widerstand der OvaHerero und Nama ist gut dokumentiert, dennoch verfolgt der Spielfilm ein Narrativ, in dem die beiden Bevölkerungsgruppen in erster Linie passive Akteure darstellen.

Der Film ist ein Beispiel einer verpassten Chance, sich auf eine adäquate Weise mit dem deutschen Kolonialismus im Allgemeinen und dem Völkermord an den OvaHerero und Nama im Konkreten zu befassen. Eine Zusammenarbeit mit Schwarzen Filmschaffenden und Expert*innen für koloniale Perspektiven wäre eine Möglichkeit gewesen, dieser wichtigen Geschichte und ihren Akteur*innen den verdienten Raum zu geben.­­­­­

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Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, die 1985 als Initiative Schwarze Deutsche gegründet wurde, ist inzwischen die älteste Selbstorganisation von und für Schwarze Menschen in Deutschland.

Kontakt:  Jeanne Nzakizabandi, presse [at] isdonline.de