Der Spaß hört da auf wo Rassismus beginnt!

Stellungnahme der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland zur geplanten Sendung „Verstehen Sie Spaß?“ am 29.10.2016
Der Spaß hört da auf wo Rassismus beginnt!
Sehr geehrter Herr Boudgoust sehr geehrter Herr Hauser,
Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland engagiert sich seit Jahren gegen die immer noch gängige Praxis des Blackfacing in Deutschland an deutschen Bühnen, in den Sendeanstalten der öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsender und in alltagskulturellen Bereichen wie dem Karneval. Diese Form der Darstellung Schwarzer Menschen führt eine rassistische Tradition fort, die – auch in Deutschland – zu keinem Zeitpunkt hinnehmbar war oder ist.
Trotz der in der Vergangenheit geführten öffentlichen Auseinandersetzungen in ähnlichen Fällen (Günter Wallraff , Dieter Hallervorden,  Denis Scheck, Wetten dass …?) hat sich scheinbar immer noch nicht die Erkenntnis breit gemacht, dass rassistische Praxis, zu keinem Zeitpunkt gesellschaftsfähig ist.
Für die Sendung „Verstehen Sie Spaß…?“ vom SWR ließ sich der Moderator Guido Cantz in rassistischer Blackfacing-Tradition mit brauner Schminke im Gesicht und aufmodellierten unnatürlich dicken Lippen als Schwarzen Südafrikaner verkleiden (Einen stereotypen Akzent lieferte er bei seinem Auftritt gleich mit!). Besagter Sketch wurde in der Schweizer Sendung „Happy Day“ aufgezeichnet mit dem Ziel, den Moderator Röbi Koller  in der Sendung mal so richtig aufs Korn zu nehmen.
Tatsächlich jedoch werden rassistische Traditionen und rassistische Bilder von als dümmlich dargestellten Afrikaner_innen aufgerufen und reproduziert und das in der Blackfacing-Manier des Minstrel Theaters aus dem 19.Jahrhundert*  mit der Schwarze Menschen ins Lächerliche gezogen werden.
In dem Sketch sucht Franziska, eine weiße junge Schweizerin, vermeintlich ihren Vater. Als der Schwarze Mann ihr als Vater vorgestellt wird, bricht bei ihr eine Welt zusammen. Denn ein Schwarzer Vater kann ja nur schlimm sein – zur Erheiterung des Publikums.
Dabei scheint niemandem die grotesk überzeichnete Figur aufzufallen. Nicht dem Publikum, nicht Franziska und nicht dem Moderator. Nur eins wissen augenscheinlich alle: ein Schwarzer Vater – das ist eine böse Überraschung.
Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland ist entsetzt darüber, dass ein Team eines öffentlich-rechtlichen Senders (den ja auch Schwarze Menschen durch ihre Steuergelder finanzieren) ein Sendungskonzept ausarbeitet, absegnet und in einer Show umsetzt, ohne die Problematik auch nur im entferntesten zu erkennen, geschweige denn davon Abstand zu nehmen.
Weiterhin ist erschreckend, dass selbst nachdem Kritik öffentlich geäußert wurde, sich mit dieser nicht auseinandergesetzt wird. Stattdessen wird in dem gleichen rassistischen Stil fortgefahren, das Ganze wird verharmlost und so dargestellt also ob es sich bei Blackfacing um eine „normale“ Verkleidungsform handele.
Kritische Stimmen, sowohl von Schwarzen als auch von weißen Menschen, werden ignoriert und nicht ernst genommen . Damit entlarvt sich der Sender in zweierlei Hinsicht: Er wird nicht nur von schlechten Medienschaffenden betrieben, sondern ist zudem eine von diskriminierenden Denkstrukturen durchzogene Institution, die darauf besteht, diese unverhohlen auszuleben.
Wir von der ISD und den unterstützenden Organisationen fordern nachdrücklich, dass auf eine Ausstrahlung des Sketches in der Show am 29.10.2016 verzichtet wird und dass eine Entschuldigung für diese neuerliche Entgleisung der ARD gegenüber Schwarzen Menschen ausgesprochen wird.
Es ist Aufgabe öffentlich-rechtlicher Sender, die von der Bundesrepublik ratifizierten Menschenrechte zu fördern, nicht sie zu untergraben. Die Verbreitung negativer Stereotypen in einer kolonialrassistischen Tradition verstößt gegen diesen Auftrag in eklatanter Weise. Konkret ist es menschenrechtlich ausdrücklich geboten, dafür Sorge zu tragen, dass Medien diskriminierende, stereotypisierende Vorurteile über Menschen afrikanischer Herkunft nicht verbreiten**.  Mehrere UN-Expertinnen und Experten haben bereits vor vier Jahren das in den Niederlanden verbreitete Blackfacing***  verurteilt und führen seither einen intensiven menschenrechtlichen Dialog darüber, der medial und öffentlich große Resonanz findet. Von einem öffentlich-rechtlichen Sender erwarten wir, dass er solche relevanten Diskurse wahrnimmt, sich um die Einhaltung der menschenrechtliche Standards bemüht und, wenn er auf Verstöße durch Betroffene hingewiesen wird, sich selbstkritisch damit auseinandersetzt. All das lässt der SWR bisher vermissen.
Wir fordern daher eine tiefer gehende Auseinandersetzung innerhalb des Senders auf allen Ebenen mit ihren offenkundig rassistisch geprägten Strukturen, Bildern und Vorstellungen über Schwarze Menschen. Dies sollte am besten mit professioneller Begleitung durch Trainer*innen geschehen . Solche Trainings fördern die Professionalisierung im Umgang mit gesellschaftskritischen und sensiblen Themen wie der würdigen und stereotypfreien Darstellung aller – also auch Schwarzer – Menschen im öffentlichen Raum und Diskurs. Eine solche Aufgabe liegt im Auftrag der öffentlich-rechtlichen Medien, welche die Würde Schwarzer Menschen über das vermeintliche Vergnügen eines mehrheitlich weißen Fernsehpublikums zu stellen haben und sich nicht auf verzerrte Auffassungen einer Abteilungsleiter*in wie Barbara Breidenbach verlassen dürfen.
Vorstand und Beirat der ISD Bund e.V.
*Eine Tradition welche bis in die 1960er reichte und auch in Deutschland eine lange Tradition hat
**General Recommendation Nr. 34 des UN-Antirassismus-Ausschusses, Abs. 30 ff. vom  30.9.2011
***https://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article129750354/Der-Zwarte-Piet-ist-eine-rassistische-Karikatur.html
Unterzeichnende Organisationen:
Amnesty International – Themengruppe Anti-Rassismus, Postkolonial Berlin e.V.