Es geht um Respekt, Verantwortung und Menschenwürde, nicht um Paragraphen – Reparationen jetzt!

Die Weigerung der Bundesrepublik Deutschland, Reparationen für die während der Kolonialzeit (mindestens 1884 – 1919) begangenen Verbrechen zu zahlen, ist ein zutiefst ungerechtes und historisch beschönigendes Verhalten. Die offizielle Begründung – dass es zum Zeitpunkt der Verbrechen kein geltendes Völkerstrafrecht gegeben habe – ist nichts anderes als ein Vorwand, um sich der historischen Verantwortung zu entziehen. Es ist ein juristisches Feigenblatt, das koloniales Unrecht weiter verharmlost und systematische Gewalt gegen Schwarze Menschen relativiert.

Deutschland hat im heutigen Namibia – dem damaligen „Deutsch-Südwestafrika“ – den ersten Völkermorde des 20. Jahrhunderts begangen. Zehntausende Herero und Nama wurden zwischen 1904 und 1908 brutal ermordet, Frauen und Kinder in Konzentrationslager verschleppt, ausgehungert, misshandelt und ermordet. Dass die Bundesregierung heute versucht, diese Taten mit juristischen Spitzfindigkeiten aus der Verantwortung zu schieben, ist ein Schlag ins Gesicht aller Nachfahr*innen der Opfer – und eine Fortsetzung kolonialer Arroganz.

Es geht hier nicht um die Frage, ob ein bestimmter Paragraf zum Zeitpunkt der Verbrechen existierte. Es geht um Menschlichkeit, um Gerechtigkeit – und um die Verantwortung eines Staates, der sich selbst als moralisch geläutert darstellt. Wenn Deutschland zurecht für die Verbrechen des Nationalsozialismus Reparationen gezahlt hat, warum verweigert es sie bei kolonialen Verbrechen? Diese Doppelmoral zeigt deutlich: Das Leben und Leid Schwarzer Menschen wird bis heute weniger geachtet.

Die Berufung auf das sogenannte Rückwirkungsverbot (nulla poena sine lege, deutsch: keine Strafe ohne Gesetz) greift in diesem Kontext zu kurz. Es mag im strafrechtlichen Sinne juristisch korrekt sein, doch Reparationen und Entschädigungen betreffen primär völkerrechtliche und politische Verantwortlichkeit – nicht individuelle strafrechtliche Schuld. Deutschland hat in anderen historischen Zusammenhängen, etwa in Bezug auf den Holocaust, Reparationen gezahlt, ohne sich auf formale Rechtslage zum Zeitpunkt der Verbrechen zu berufen. Eine solche moralisch-politische Verantwortung wird im Fall der Kolonialverbrechen bislang nicht in gleichem Maße übernommen.

Die koloniale Gewalt war nicht „ein Vergehen unter anderen“ – sie war Teil eines rassistischen Systems, welches bis heute seine Wirkung zeigt und das darauf beruht, Schwarze Körper auszubeuten, zu entmenschlichen und zu vernichten. Wer heute ernsthaft Versöhnung will, muss aufhören, Verantwortung zu relativieren. Symbolische Gesten – wie das Wort „Völkermord“ in Reden zu verwenden– reichen nicht. Es braucht finanzielle Wiedergutmachung, Rückgabe von und rückwirkende Zahlungen für Land und Ressourcen, umfassende Bildungsarbeit und echte Kooperation mit den betroffenen Gemeinschaften.

Die Bundesrepublik Deutschland muss anerkennen, dass wir hier sind. Als Nachfahr*innen der ermordeten Herero und Nama sowie anderer durch Kolonialismus ausgebeuteter afrikanischer Staaten haben wir selbst mitunter die deutsche Staatsbürger*innenschaft inne und die ganze Schwarze, afrikanische und afrodiasporische Community in Deutschland schaut auf die Entscheidungen, welche die Bundesregierung auch in unserem Namen trifft. Wir sind viele und wir stehen zusammen.

Deshalb fordern wir:

  • Die sofortige und vollständige Anerkennung des kolonialen Völkermords als Grundlage für Reparationen.
  • Entschädigungszahlungen an die Nachfahren der Herero, Nama und anderer betroffener Gruppen.
  • Die Rückgabe von Kulturgütern und menschlichen Gebeinen aus deutschen Museen sowie rückwirkende Zahlungen für die mit dem Diebesgut erwirtschafteten Gewinne.
  • Eine konsequente Dekolonisierung deutscher Erinnerungspolitik.

Es ist nicht genug nicht, sich selbst als Aufarbeitungsweltmeister*innen zu inszenieren, solange die Kolonialverbrechen ausgeklammert bleiben. Wer sich zu Menschenrechten bekennt, muss sich ihnen überall stellen – auch dort, wo es unbequem ist. Reparationen sind keine „Gnade“, sie sind ein Menschenrecht. Es ist Zeit, dass Deutschland endlich handelt.