An die ZDF-Wetten dass…? Redaktion und Moderator Markus Lanz
Schockiert über die Saalwette der Sendung in Augsburg (14.12.2013)
Gesucht wurden 25 Paare, die als Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer verkleidet zu „Wetten dass…?“ kommen sollten. Dazu der Hinweis, dass: „Jim natürlich geschminkt sein soll, Schuhcreme, Kohle, was auch immer“. Bei Lukas wurde lediglich auf die Kleidung verwiesen. Es kam also weniger darauf an, eine schwarze Person nachzuempfinden, als sie eindeutig als nicht weiß zu markieren, egal wie sie aussieht.
Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) ist schockiert und verurteilt den öffentlichen Aufruf zu Blackfacing, bei der es sich um eine rassistische Praxis handelt, die allzu oft verharmlost wird. In den USA gilt Blackface bis heute als Symbol für das Trauma des Rassismus und der Sklaverei. Diese Praxis entstand Ende des 19. Jahrhunderts in den sogenannten „Minstrel Shows“, wo schwarzbemalte weiße Darsteller das Klischee des naiven, schwachsinnigen, aber immer lustigen Schwarzen präsentierten. Es ist keine ausschließlich amerikanische Praxis. Auch in Großbritannien und Frankreich gilt Blackface als Ausdruck des Rassismus der Kolonialzeit. In Deutschland gehört die karikierende und stereotypisierende Darstellung von Schwarzen Menschen beispielsweise zur Darstellungspraxis in DEFA Filmen, aber auch zur frühneuzeitlichen Karnevalstradition. Diese Darstellungsweise war in jedem Kontext und zu jeder Zeit negativ belegt und steht für die Abwertung Schwarzer Menschen. Wer sich Bilder zu dieser diffamierenden Tradition anschaut, wird feststellen, dass die Geschwärzten häufig überzeichnet und dreckig aussehen. Auch dass in Augsburg lebende schwarze Menschen von vornherein nicht angesprochen wurden, sollte zum Denken anregen.
Niemand in der ZDF-Redaktion hat etwas gemerkt? Schwer vorstellbar, zumal das Thema in jüngster Zeit schon öfter diskutiert wurde. 2009 sorgte Günter Wallraff für Aufsehen, als er sich für seinen Dokumentarfilm „Schwarz auf Weiß“ dieser rassistischen Praxis bediente. Im Januar 2012 gab es Diskussionen um das Stück „Ich bin nicht Rappaport“ im Berliner Schlossparktheater, weil ein weißer Schauspieler schwarz geschminkt die Rolle eines Afroamerikaners spielte. Zuletzt bediente sich 2013 Denis Scheck in der ARD-Literatursendung „Druckfrisch“ der Methode in Verbindung mit der N-Wort Debatte in Kinderbüchern. Bekannt sein dürfte auch die Debatte um den so genannten „Zwarte Piet“ in den Niederlanden im vergangenen Oktober, als die koloniale Symbolik der niederländischen Version des Schwarzen Peter zur Nikolauszeit – mit schwarzem Gesicht, roten Lippen, krausen Perücken und goldenen Ohrringen, vom Hochkommissariat für Menschenrechte der Vereinten Nationen kritisiert wurde.
Aus all diesen Gründen, erschließt es sich der ISD nicht, wie Sie die Tatsache einer rassistischen Methode ignorieren und auf die Durchführung der Saalwette auch nach einem medialen Protest bestehen konnten. So gab es unmittelbar nach dem Aufruf, eine Vielzahl von Beschwerden, die die ZDF Redaktion erreichten, sei es telefonisch oder über die Sozialen Netzwerke (Twitter, Facebook), in denen viele Menschen ihr Entsetzen, Unmut und Meinungen äußerten und auf die Hintergründe des Blackfacing aufmerksam machten. Dass Sie auf keine der Beschwerden eingegangen sind oder reagierten, sondern im Gegenzug ein Bild der „gelungenen Saalwette“ auf Facebook posteten, zeigt wie unreflektiert und sorglos ihr Team mit den Befindlichkeiten seiner Zuschauer_innen und denen einer Vielzahl der Bevölkerung umgeht. Umso mehr empfinden wir Ihre Reaktion in diesem Zusammenhang als Hohn und Spott.
Gerne möchten wir Sie an diesem Punkt an Ihren Auftrag als öffentlich-rechtlicher Fernsehsender erinnern, der neben der Unterhaltung vor allem einen Bildungsauftrag vorsieht und verweisen auf den ZDF-Staatsvertrag, nachdem Sie gemäß § 5 Absatz 3 in Ihren Sendungen die Würde des Menschen zu achten und zu schützen haben: Die Sendungen sollen dabei vor allem die „Zusammengehörigkeit im vereinten Deutschland fördern sowie der gesamtgesellschaftlichen Integration in Frieden und Freiheit und der Verständigung unter den Völkern dienen und auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinwirken“.
Mit Ihrer Saalwette sind Sie diesem Auftrag in keinster Weise nachgekommen. Alltagsrassismus sowie koloniale Darstellungen gehören zur Lebensrealität Schwarzer Menschen in Deutschland. Diese Erfahrungen sind überaus gewaltvoll und schmerzhaft. Gerade deshalb sind wir als eine der Interessensvertretungen Schwarzer Menschen entsetzt, dass Sie rassistische Stereotype reproduzieren und bis jetzt Ihrer Verantwortung nicht nachgekommen sind, Stellung zu beziehen. Zumal Sie mit Ihren Sendungen auch zur Meinungsbildung beitragen und Ihnen dahingehend eine besondere Verantwortung zukommt.
Aus diesem Grund hat die ISD keinerlei Verständnis für Ihre redaktionelle Entscheidung, die Sie als öffentliche Beleidigung, Denunzierung und Verletzung Schwarzer Menschen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen empfindet. Mit diesem Schreiben erwarten wir von Ihnen eine Stellungnahme und eine öffentliche Entschuldigung zur redaktionellen Entscheidung Ihrer Saalwette. Dabei bitten wir Sie vorab von einer Bagatellisierung dieses Vorfalls Abstand zu nehmen – beispielsweise, dass der unschuldigen Held Jim Knopf überhaupt erst mit Rassismus in Verbindung gebracht wird. Gerne möchten wir Sie dabei darauf hinweisen, dass rassistisches Handeln auch dann passiert, wenn dieses nicht intendiert war. Denn die Intention spielt keine Rolle, sondern die Wirkung und die sollte in Ihrer Funktion im Vorfeld überdacht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Der Vorstand ISD Bund e.V.
Dieser Briefwechsel wird öffentlich geführt. Das Anschreiben sowie Ihre Antwort können zu Zwecken der Dokumentation und Aufklärung veröffentlicht werden.