„Schau Hin!“ oder: Fünf eindeutige Hinweise dafür, dass Rassismus Thema an Ihrer Schule ist.

Folgender Artikel der ISD Aktivistin Sharon Dodua Otoo erschien im Newsletter des Migrationsrat Berlin Brandenburg e.V. nach Abschluss einer Veranstaltung zum Thema
1. Die Schulmaterialien, die in Ihrem Unterricht verwendet werden, zeigen kaum Schwarze Personen.
„Alle Personen in meinen Schulmaterialien sind weiß und deutsch. Alle! Die einzige Ausnahme kommt in meinem Mathebuch vor, in dem Teil wo es um Bruchrechnungen geht – und er ist Italiener und schneidet Pizza!“ [i] Überprüfen Sie die Bücher, die in der Schule verwendet werden. Wenn Schwarze Menschen in Lehrmaterialien überhaupt vorkommen, werden sie als „Ausländer“ oder „Afrikaner“ markiert? Sind die abgebildeten deutschen Personen ausschließlich „weiß“?
Top Tipp: Setzen sie sich mit dem Verein Each One Teach One (EOTO) e.V. in Kontakt. EOTO ist ein Schwarzes Literaturund Medienarchiv. Workshops für Kinder, Jugendliche und (pädagögische) Multiplikator_innen zum Thema Schwarze Geschichte, Literatur und Wissen werden angeboten.
Webseite: www.eoto-archiv.de
2. Das Afrikabild in Ihrer Schule ist einseitig und von Armut, Rückständigkeit und Leid geprägt.
„Ja, bei uns ist es so, wenn wir im Gesellschaftsunterricht über arme Länder sprechen, heißt es sofort: Afrika! Dann ist Afrika immer das erste Gesprächsthema. Und wenn wir dann ein Buch aufschlagen, haben wir auch dieses Bild mit diesen Kindern gesehen, dann … dann entweder gucken sie mich an oder fragen ob ich solche Leute kenne. Und das finde ich irgendwie ziemlich absurd und dumm, weil es in Afrika andere Seiten gibt, nicht nur so was!“ [ii] Wie oft kommen Themen wie die Geschichte vom Königreich der Ashanti, oder die Anti-Apartheid-Bewegung Südafrikas, oder die Biografie von Ellen Johnson Sirleaf, die erste ins Amt gewählte Präsidentin Afrikas? Vielleicht bedienen Sie in ihrem Unterricht stattdessen eher Klischees, die die Würde von Kindern der afrikanischen Diaspora verletzen?
Top Tipp: Laden Sie Joliba – Interkulturelles Netzwerk in Berlin e.V. zu ihrer Schule ein. Joliba hat jahrelange Erfahrung in afrozentrischer pädagogischer Jugendarbeit und kann Sie dazu beraten, wie sie ein differenziertes Bild von Afrika in Ihre Schule bringen.
Webseite: www.joliba-online.de
3. Schwarze (deutsche) Geschichte wird im Unterricht kaum thematisiert.
„In der Schule haben wir nichts über Schwarze Geschichte gelernt…“ [iii] Wussten Sie, dass Schwarze Menschen auf deutschem Boden gelebt haben, lange bevor die deutsche Nation überhaupt gegründet worden ist? Dass Brandenburg eine führende Rolle im Handel von versklavten Afrikaner_innen gespielt hat? Dass auch Schwarze Menschen in Nazi-Deutschland verfolgt, interniert und ermordet wurden?
Top Tipp: Buchen Sie die Ausstellung „Homestory Deutschland – Schwarze Biografien in Geschichte und Gegenwart“ von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD-Bund) e.V. und organisieren Sie ein Projekt, bei dem es ausdrücklich darum geht, mehr über diese Perspektive auf Deutschlands Geschichte zu lernen.
Webseite: www.homestory-deutschland.de
4. Rassistische Begriffe und Inhalte werden im Unterricht reproduziert.
„…Wenn Lehrende rassistische Inhalte unkritisch einsetzen, tradieren sie „rassistisches Wissen“ … welches von den Schüler/inne/n dann reproduziert wird…“ [iv] Wissen Sie, welche Wörter rassistisch sind? Und dass Sie rassistisch sind, auch wenn Sie dies nicht so gemeint haben? Wenn rassistische Begriffe im Unterricht fallen, wird diese Tatsache klar benannt?
Top Tipp: Besuchen sie die Webseite vom Verein der braune mob e.V. Deutschlands erste Schwarze Media Watch Organisation ist gegründet worden, um eine diskriminierungsfreie deutsche Medienöffentlichkeit anzustreben und bietet u.a. Informationen und Definitionen rund um das Thema Vorurteil und Diskriminierung in Sprache.
Webseite: www.derbraunemob.de
5. Das Wort „Rassismus“ ist tabuisiert.
…Ein [Schwarzer] Grundschüler wird von seinen MitschülerInnen immer wieder … beleidigt, in Streitereien beziehen sich Beschimpfungen bei ihm immer auf seine Hautfarbe… Als die Mutter eines Tages selber hört, wie ein Mitschüler zu ihrem Sohn ruft, »Hau doch ab! Geh dahin, wo Menschen mit so einer dreckigen Hautfarbe wie du herkommen!« und sieht, dass LehrerInnen dies mitbekommen, aber nichts unternehmen, spricht sie das Problem an. Zunächst bei der Klassenlehrerin, dann bei den Eltern der MitschülerInnen, dann bei der Schulleitung. Das führt jedoch dazu, dass nicht die rassistischen Beleidigungen als Problem gesehen werden, sondern die Mutter selbst. In einem Elternbrief wird beispielsweise formuliert: »Wir sind übereingekommen, dass neunjährige Kinder keine rassistischen Einstellungen haben und ihre Äußerungen gegenüber anderen daher nicht als rassistisch bezeichnet werden können.«…“ [v] Gibt es an Ihrer Schule eine Rassismus-Definition? Sind sie der Meinung, es könne an Ihrer Schule gar keinen Rassismus geben? Wird der Vorwurf rassistisch gehandelt zu haben, als eine viel ernstzunehmendere Grenzverletzung behandelt, als der rassistische Vorfall an sich?
Top Tipp: Organisieren Sie ein Training für die Lehrkraft bei Phoenix e.V. Der Verein setzt sich für eine Kultur der Verständigung ein und bietet sowohl Trainings gegen Alltagsrassismus, als auch Empowerment-Trainings an.
Webseite: www.phoenix-ev.org
 
Nachtrag: Ein Appell an Eltern.
„…Meine Schwester hat mit 13 Jahren die Schule gewechselt, als wir … umgezogen sind. Es ist ja dann oft so, dass es ein Abschiedsbuch gibt, in welches die ganze Schulklasse tolle Anekdoten von Klassenreisen, Gedichte etc. reinschreibt. Ein Junge hat auf seiner Seite eine ekelhafte, rassistische Karikatur meiner Schwester reingezeichnet, samt zerfetztem Tribaloutfit, Blackface Lippen, Riesen Knochen im Haar und Knochen durch die Nase. Neben dem Bild verarschend ihr Igbo Name (zu dieser Zeit schämten wir uns noch für unsere Igbo Zweitnamen, da unwertiger als Lena oder Sophie). Da meine Eltern unfähig waren, es aufzuarbeiten, wurde es verdrängt…es war halt nur ein „dummer Jungenscherz“Über ein Jahrzehnt später packt mich, als nicht direkt Betroffene manchmal noch immer die blanke Wut, wenn ich daran zurückdenke. Dass meine Eltern den Verdrängungsweg gegangen sind, aber gleichzeitig in der Luft lag, dass etwas ganz Übles passiert ist, hat die Sache für mich als damals 9 jähriges Geschwisterkind traumatisiert. Ich habe mich jahrelang nicht getraut, das anzusprechen und meine Gefühle zu äußern, da Tabu. Perfiderweise hat mir das auch das Gefühl gegeben, dass „DIE“ irgendwie Recht haben mit ihrer Abwertung und ihrer Zuordnung und man sich lieber kleinhält. Weil man dazugehören will. So denken sensible Kinder eben, wenn man ihnen nicht die Zusammenhänge erklärt. Es ist so wichtig, dass Eltern sich für ihre Kinder stark machen, man vergisst so was nicht und selbst ganz kleine tragen ihren Schaden davon…“ [vi]  

Der Name dieses Artikels ist angelehnt an die Twitter- und Facebookkampagne #SchauHin initiiert von Kübra Gümüsay (Anm. Red. und Jamie Schearer und Sabine Mohamed) um Erfahrungen von Alltagsrassismus in Deutschland für den Mainstream sichtbar zu machen. Vielen Dank an Dirk Ludwig für seine sehr hilfreichen Kommentare.
 
Quellen
[i] Persönliches Gespräch mit meinem Sohn, D. (2008)
[ii] „Rassismus in deutschen Schulbüchern am Beispiel von Afrikabildern“ von Elina Marmer (letzter Zugriff 12.01.14)
[iii] Ausstellungskatalog „Homestory Deutschland. Schwarze Biografien in Geschichte und Gegenwart“ S.147
[iv]  „Rassismus in deutschen Schulbüchern am Beispiel von Afrikabildern“ von Elina Marmer (letzter Zugriff 12.01.14)
[v] Netzwerk Rassismus an Schulen (NeRaS) (letzer Zugriff 12.01.14)
[vi] Persönliche Email von J. (2013), (Unterstrich wurde von Autorin des Artikels eingefügt)