Stellungnahme zu Plakat der Kampagne der „Bündnis 90 / Die Grünen“ in Kaarts / NRW
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Bestürzung haben wir von der Bündnis 90/ die Grünen Kampagne in Kaarst erfahren. Auf einem Plakat ist ein nackter Schwarzer Frauenhintern abgebildet, welcher von weißen Frauenhänden umfasst wird. Darüber steht der Slogan „DER EINZIGE GRUND SCHWARZ ZU WÄHLEN“
Dieses Plakat ist rassistisch und sexistisch.
Ungeachtet eines Statements auf der Webseite der Kaarster Grünen, auf der das Plakat mit Verweis auf grüne Ideale als „antirassistisch“ bezeichnet wird, verschränken sich hier in unguter Tradition rassistische und sexistische Elemente, die schon im Plakatmotiv deutlich werden: Die Weißen Frauenhände grapschen, der Schwarze Körper ist passive Verfügungsmasse für die Assoziationen der WählerInnenschaft.
Eine entlarvende Aussage im Statement der Kaarster Grünen macht das Ausmaß des grünen Rassismus deutlich:
„Die Vorwürfe, bei dem Plakatmotiv handele es sich um ein rassistisches oder sexistisches, sind daher nicht haltbar.
Sollte dieser Eindruck beim Betrachter entstehen, kann dem nur widersprochen werden und auf Grüne Grundsätze verwiesen werden. Im Gegenteil könnte dieses Motiv zu Recht als „antirassistisch“ bezeichnet werden, entsprechende Äußerungen erhielten wir als Reaktion auch von Menschen mit „Migrationshintergrund“
Hier wird in altbekannter Weise weiße Definitionsmacht mit Verweis auf anonyme Stimmen „mit Migrationshintergrund“ verteidigt, anstatt Verantwortung zu übernehmen, verschieben die Verantwortlichen ihren Rassismus in das Auge der Betrachtenden. Dabei unterläuft ihnen jedoch ein entlarvender Fehler: Wenn auch bei den Grünen „Menschen mit Migrationshintergrund“ herangezogen werden, um Rassismus bzw. Antirassismus beglaubigen zu lassen, zeigt sich am Sprachgebrauch, dass Deutschland hier implizit nach wie vor als homogen und weiß imaginiert wird. Das ist jedoch bereits seit Generationen nicht mehr der Fall: Hier leben Schwarze Deutsche – ohne den viel zitierten „Migrationshintergrund, aber mit Wahlrecht. Die Grüne Partei täte gut daran, dies endlich auch in ihrer Wahlkampfwerbung zur Kenntnis zu nehmen.
Im Rahmen der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD-Bund e.V.) setzten wir uns seit Jahren aktiv gegen Rassismus ein.
Einige Schwarze Menschen wählten bisher die Grünen, da sie davon ausgegangen sind, dass diese Partei auch ihre Interessen vertritt. Sowohl dieses Plakat als auch die Arroganz, uns auf Grüne Grundsätze zu verweisen, um eine rassistisches und sexistisches Plakat zu verniedlichen symbolisieren jedoch, dass wir mit unseren Anliegen und Interessen nicht wahrgenommen und respektiert werden. Im Gegenteil, Schwarze Menschen werden zu Sexobjekten und Spielzeugen einer weißen Gesellschaft degradiert und diffamiert, die offenbar keinen besseren Grund sieht einen Schwarzen Menschen zu „wählen“, außer seiner Sexualität. Es ist erschütternd wie Sie Schwarze Menschen eine „humorvoll“ beabsichtige Kampagne instrumentalisieren die den zugrunde liegenden Rassismus und Sexismus komplett ignoriert.
Sicherlich war es ihr Anliegen möglichst liberal und modern zu wirken. Dieses ist Ihnen leider ganz und gar nicht gelungen. Mit diesem sexistischen und rassistischen Gut wurden Schwarze Menschen schon zu Kolonialzeiten konfrontiert. Ist das im Sinne der Bündnis 90/die Grünen, einer Partei, die sich ihrem Selbstverständnis nach für soziale Gerechtigkeit einsetzt? Wie soll eine gerechte Gesellschaft jedoch möglich sein, wenn selbst Sie als Bündnis 90/die Grünen mit einer solchen rassistischen und sexistischen Darstellung auf Stimmenfang gehen?
Der ISD-Bund e.V. fordert das Bündnis 90/ die Grünen dazu auf, alle weiteren Veröffentlichungen dieses Motivs zu unterbinden und bereits gehängte Plakate umgehend zu entfernen.
Da diese kommunale Wahlkampfkommunikation weit über Kaarst hinaus bekannt geworden ist, verlangen wir nicht nur eine sofortige Entfernung der Plakate in Kaarst, sondern darüber hinaus eine Entschuldigung vom Landes- und Bundesverband des Bündnis 90/die Grünen. Viele Schwarze Wähler_innen werden nach diesem Vorfall eine weitere Unterstützung Ihrer Partei ausschließen, wenn Sie diese rassistische und sexistische Werbung nicht angemessen und umfassend korrigieren.
Bitte beachten Sie, dass dieser Briefwechsel von uns öffentlich geführt wird, und wir dieses Anschreiben wie auch Ihre eventuelle Antwort zu Zwecken der Dokumentation, Aufklärung und Lehre veröffentlichen werden. Diese Mail geht außerdem in Kopie an rund 40 Experten_innen, Aktiviste_/innen, Medienmacher_innen und Multiplikatoren_innen für Demokratie- und Ungleichheitsforschung, Menschenrechte, Anti-Rassismus-Arbeit, Diversity und Critical Whiteness-Forschung bundesweit.
Verfasser_innen:
Jonas Berhe; ISD-Bund e.V., Vorstand
Tahir Della; ISD-Bund e.V., Vorstand
Yonis Ayeh; ISD-Bund e.V., Vorstand
Josephine Reindl; ISD Hamburg, ISD-Bund e.V.
Djenna Wehenpohl; ISD Hamburg
Ralph Henke; ISD Hamburg
Sharon Otoo; ISD-Bund e.V., Inspired Community Berlin
Tyrone Adams; ISD Hamburg, ISD-Bund e.V.
Joshua Kwesi Aikins; ISD-Bund e.V.