Rückgabe von Kulturobjekten und menschlichen Gebeinen aus Afrika

 An die

Bundeskanzlerin

Dr. Angela Merkel

Bundeskanzleramt

Willy-Brandt-Straße 1

10557 Berlin

Offener Brief vom 18.12.2017                                                                       

Betreff: Restitution von Kulturobjekten und menschlichen Gebeinen aus Afrika

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel,
mit großem Interesse haben wir die am 28. November 2017 in Ouagadougou gehaltene Rede des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zur Kenntnis genommen, in der er erklärte, nicht länger „akzeptieren zu können, dass sich ein Großteil des Kulturerbes mehrerer afrikanischer Länder in Frankreich befindet“. Wir begrüßen, dass die französische Regierung innerhalb der nächsten fünf Jahre in Zusammenarbeit mit den betroffenen afrikanischen Ländern eine „zeitweilige oder dauerhafte Rückgabe des afrikanischen Erbes“ ermöglichen will. Wir würdigen zudem Emmanuel Macrons Ankündigung, menschliche Gebeine, die einem kolonialen Unrechtskontext entstammen, nach Algerien zu restituieren.
Frankreich reagiert damit auf die sich intensivierende, kritische Debatte zum kolonialen Erbe, der sich auch die anderen Länder des Globalen Nordens nicht länger entziehen können. Denn es sind nicht nur französische Museen und Privatsammlungen im Zuge der Kolonisierung in den Besitz von hunderttausenden Kulturobjekten und von zehntausenden menschlichen Gebeinen aus allen Regionen Afrikas gekommen. Die Anzahl der afrikanischen Artefakte in den großen ethnologischen Museen Nordamerikas und Europas ist so hoch, dass über 90% aller Exponate noch nie gezeigt werden konnten. Die Menge an menschlichen Gebeinen aus Afrika ist so groß, dass die Museen nach eigenen Angaben auch 100 Jahre nach ihrer Aneignung noch immer nicht ermitteln konnten, von wo und auf welche Art und Weise sie in die Sammlungen gelangt sind.
Zur selben Zeit werden insbesondere die rituellen Objekte und die Gebeine der Vorfahren und Ahnen von Angehörigen der afrikanischen Herkunftsgesellschaften schmerzlich vermisst.
Deutschland kommt in dieser Situation eine Schlüsselrolle zu. Denn nicht nur findet sich hier die größte Dichte an Museen mit Kulturschätzen und menschlichen Gebeinen aus allen Teilen des afrikanischen Kontinents. In seiner Hauptstadt Berlin fand 1884/85 – auf Einladung der Französischen Republik und des Deutschen Reiches – die berüchtigte Afrika- oder Kongo-Konferenz statt. Dabei wurden die Regeln zur fast vollständigen Aufteilung Afrikas unter den europäischen Kolonialmächten ausgehandelt und damit erst die Voraussetzung für die systematische Aneignung von afrikanischen Kulturobjekten und sterblichen Überresten geschaffen.
Zu Beginn des Europäischen Kulturerbejahres 2018, das unter dem programmatischen Titel „Sharing Heritage“ steht, möchten wir Sie in Ihrer Funktion als deutsche Regierungschefin daher ersuchen, sich zur historischen Initiative des französischen Präsidenten zu positionieren. Im 100. Jahr nach dem Ende des deutschen Kolonialismus in Afrika darf die Bundesregierung zum Thema Restitution von rituellen Objekten und menschlichen Gebeinen aus kolonialem Unrechtskontext nicht schweigen.
Ohne eine transparente, transnationale und kritische Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe wird eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Menschen afrikanischer und europäischer Herkunft auch in Zukunft nicht möglich sein.
Mit freundlichen Grüßen
Mnyaka Sururu Mboro & Christian Kopp
Berlin Postkolonial e.V.
buero@berlin-postkolonial.de
 
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